Haushaltsrede von Kevin Ferber, Fraktionsvorsitzender

Haushaltsrede von Kevin Ferber, Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gibt zwei Arten, die Zustimmung für einen Haushalt zu bekommen. Die eine wäre, einen zukunftsfesten Haushalt vorzulegen, der die Probleme der Stadt Aßlar anerkennt und von allen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam auf den Weg gebracht würde. Und dann gibt es das Verfahren, in dem der Haushalt der Stadt Aßlar für 2021 nun verabschiedet wird. Vor der Kommunalwahl wurde er in der Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich von Grünen, CDU und SPD abgelehnt. Einen Wahlgang später, eine neue Stadtverordnetenversammlung, eine neue Koalition und exakt derselbe Haushalt wird ohne Beratung im Haupt- und Finanzausschuss hier zur Abstimmung gestellt. Die Erwartung an dieser Stelle ist, dass FWG und Grüne das Ding heute durchbringen und dann hoffentlich schnell Gras über die Sache wächst.

Es war ja durchaus damit zu rechnen, dass der Haushalt zeitnah beraten werden sollte. Als ich jedoch die Einladung zur Sitzung des HFA für den 27.05. bekam, dachte ich, „Gut, scheinbar wollen sie den Haushalt noch einmal überarbeiten, um die Forderungen der Grünen, die diese ja sicherlich für die Zustimmung zur Koalition gestellt haben, aufzunehmen. Sie werden ihn wohl in der Julisitzung verabschieden wollen.“ In der Sitzung des Ältestenrates am 26.05. wurde dann die Tagesordnung für die heutige Sitzung mitgeteilt, der Haushalt für 2021 mit dabei. Auf meine Frage, ob denn keine vorherige Beratung im HFA mehr vorgesehen sei, wurde dies verneint, der HFA habe Ende Februar den Beschluss des Haushaltes empfohlen. Da auch keine Änderungen zum Februarentwurf mehr vorgesehen seien, fehle dem Haushalt nur noch der Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung. Das mag ja alles zulässig sein, gutheißen kann ich es trotzdem nicht.

Zum einen finde ich es einigermaßen faszinierend, dass die Grünen keine Änderungen an diesem Haushalt zur Bedingung für eine Koalition mit der FWG gemacht haben. Es gäbe doch sicherlich Punkte, die aus der letzten Haushaltsdebatte geblieben sind, die man ohne viel Aufwand wenigstens in einem Ansatz hätte mit aufnehmen können.

Zum anderen vergisst diese Ansicht, dass zwischen der letzten Beratung des Haushaltes und heute die Kommunalwahlen lagen und dass nicht das gleiche Gremium heute über den Haushalt berät wie damals. Wenn man bedenkt, das zwischen der Sitzung des Ältestenrates, in der wir Kenntnis von der anstehenden Haushaltsberatung bekommen haben, und der vorbereitenden Fraktionssitzung am vergangenen Mittwoch nur sieben Tage lagen, war eine ordentliche Vorbereitung dieses Haushaltes von mehr als 700 Seiten gerade für diejenigen, die neu in die Gremien gewählt wurden und ihn zum ersten Mal sehen, schlicht nicht möglich. Ich gehe davon aus, dass die Fraktionen von FWG und Grünen selbstverständlich vorab wussten, wann der Haushalt beraten werden würde und entsprechend deutlich mehr Vorbereitungszeit hatten. Das nenne ich verhungern lassen der Opposition am ausgestreckten Arm. Das ist Machtgehabe.

Ich erwarte an der Stelle nicht einmal mehr, dass eine weitere Diskussion zu einer Verbesserung dieses Haushaltes führen würde. Die neue Koalition hat sich auf den Beschluss für heute geeinigt, die Stadtverordnetenvorsteherin und der Vorsitzende des HFA waren sich ebenfalls vorab einig, dass eine erneute Befassung nicht notwendig sei und auch im Magistrat wurde der Haushalt dem Vernehmen nach nicht noch einmal im Vorhinein dieser Sitzung heute aufgerufen.

Ich kann das Interesse des Bürgermeisters, einen Haushalt für 2021 zu haben, nachvollziehen, die vorläufige Haushaltsführung ist für die Verwaltung ein Mehraufwand und gerade Investitionsprojekte können ohne Haushalt nicht angegangen werden.

Aber dieses Vorgehen war nicht richtig und der Zusammenarbeit in den Gremien garantiert nicht zuträglich.

Zu den Inhalten des Haushaltsplanentwurfs könnte ich jetzt auf die Rede von Cirsten Kunz aus der Sitzung Anfang März verweisen, sie hat damals umfänglich angesprochen, was aus unserer Sicht schief läuft bei den Haushalten der Stadt Aßlar der vergangenen Jahre. Die wenigen wirklich noch einmal hervorzuhebenden Punkte sind eher den neuen Vorzeichen nach der Kommunalwahl geschuldet.

Die Erhöhung der Grundsteuer B auf einen Hebesatz von 550 Prozentpunkten ist der erste Brocken, an dem ich zu knabbern hatte. Angesagt für den Ausgleich des Verzichts der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen waren 490 Punkte. Dass das Haushaltsdefizit dann trotz dieser Steuererhöhung noch auf 3,6 Mio. Euro angesetzt wurde, war gleich der zweite Brocken. Dass dieses Defizit dann im Februarentwurf nur noch 1,6 Mio. Euro betrug, ist leider angesichts der Höhe dieser Summe und der weiterhin bestehenden Anforderung, den Haushalt auszugleichen, auch kein Grund zur Freude.

Dass der Haushalt des Jahres 2021 überhaupt mit nur noch 1,6 Mio. Euro Defizit abschließen soll, ist nicht auf ausgenutzte Einsparpotenziale zurückzuführen, sondern auf Sonderzahlungen aus Bund und Land für diverse Einbußen durch die Coronasituation.

Ausweislich des Vorberichts wurde die finanzielle Schieflage durch Corona auch nur verstärkt, nicht aber verursacht. Dass wir nach Corona nicht auf Hilfsleistungen aus Berlin und schon gar nicht aus Wiesbaden hoffen dürfen, sollte auch klar sein.

Damit bleibt als Zwischenfazit, dass wir auch ohne Corona in einer haushälterischen Krise stecken würden und man sich statt notwendiger Anpassungen darauf ausgeruht hat, dass dieser Haushalt unter dem Eindruck von Corona wohl genehmigt werden wird.

Ich darf auf einen Punkt zu sprechen kommen, der unter den neuen Vorzeichen einen anderen Geschmack bekommt. Die Stadt Aßlar möchte ihren Haushalt unter anderem durch die Ausweisung neuer Baugebiete konsolidieren. Das ist grundsätzlich ja eine einleuchtende Sache: Neue Wohngebiete bringen Kaufkraft und damit Einnahmen für die Kommune, direkt über die Grundsteuer, indirekt über höhere Zuweisungen. Wir müssen allerdings bedenken, dass wir die Strategie nicht ewig werden fahren können. Zum einen gehen uns die bebaubaren Flächen aus und zum anderen müssen wir unsere anderen Infrastrukturen an die Bedürfnisse einer immer größeren Bevölkerung anpassen. Dieses Mantra vom ständigen Wachstum hat also Grenzen.

Leider sieht man am Beispiel Werdorf Süd-Ost, wie für eine der letzten Entwicklungsflächen der Stadt ein ambitionsloser und deshalb dringend verbesserungsbedürftiger Bebauungsplanentwurf aufgelegt wird. Wir müssen mit der Ressource Boden schonender umgehen und sämtliche bauplanerischen Möglichkeiten ausnutzen, um ein Gebiet auf dem heutigen Stand zu entwickeln.

Mir sei in dem Zusammenhang der kurze Hinweis erlaubt, dass wir auch die Idee, das Baugebiet Aßlar West von einem Investor entwickeln zu lassen, ablehnen. Dass uns das Angebot, die Flächen von Herrn Bender zu erwerben, um sie als Stadt in Eigenregie entwickeln zu können, erst mit mehr als 3 Monaten Verspätung erreicht und auch dem Magistrat wohl nicht früher vorgelegt wurde, wirft dabei allerdings die Frage auf, wie ernst der Bürgermeister es mit der Diskussion über die Möglichkeiten einer eigenen Entwicklung dieses Gebietes meint.

Wie stehen eigentlich die Grünen zu den geplanten Baugebieten? In der letzten Haushaltsdebatte wurde von ihnen noch ein ressourcenschonendes, nachhaltiges Städtebaukonzept gefordert. Den Haushaltsansatz, der die Erstellung eines solchen Konzeptes widerspiegelt, suche ich leider vergebens.

Ich darf kurz auf die Laguna eingehen, deren Wirtschaftsplan wir bereits beschlossen haben, nachdem wir dem Neubau einer Stollensauna einen Riegel vorgeschoben haben. Und ich hoffe, dass der Sperrvermerk auch da bleibt.

Unverständlich finde ich die Entscheidung, den Zuschussbedarf der Laguna nicht den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen, indem die Bundeshilfen und das Kurzarbeitergeld, die das erwartete schlechte Ergebnis abmildern, mit einbezogen werden. Man hätte das Defizit des städtischen Haushalts damit signifikant reduzieren können.

Nächster Punkt: Wie sich dem Blättchen der letzten Woche entnehmen ließ, hat der Bürgermeister Frau Muskat zur Dezernentin, zuständig für das Ehrenamt sowie für die Sozialstation, und Herr Dr. Bähr zum Dezernenten, zuständig für Umwelt und Klimaschutz, ernannt. Ich beglückwünsche die beiden zu ihren neuen Aufgaben, mache aber auch darauf aufmerksam, dass mit einem eigenen Dezernat natürlich auch große Erwartungen an die beiden geweckt worden sind. Von Frau Muskat erhoffe ich mir, dass sie Vorschläge unterbreitet wie die Sozialstation von ihrem Defizit wegkommt. So wichtig die Arbeit der Sozialstation auch ist, so problematisch ist die finanzielle Situation leider auch. Aufgaben und Angebote müssen eventuell angepasst werden, um diese Schieflage zu korrigieren. Ich will nicht missverstanden werden: Wir müssen eine ordentliche Bezahlung der Beschäftigten mit den Anforderungen an eine den Menschen zugewandte Pflege vereinbaren, ohne die Kosten für den städtischen Haushalt auf diesem Niveau zu halten oder gar weiter zu steigern. Das ist keine kleine Aufgabe, aber ich erwarte, dass sie hier Vorschläge erarbeiten, uns vorstellen und wir dann offen darüber diskutieren können.

Ähnliches gilt für das Dezernat für Umwelt und Klimaschutz. Gerade die Begrenzung des Klimawandels und die Bewältigung seiner Folgen sind die Jahrhundertaufgaben der Menschheit. Der Klimawandel ist bei uns auf lokaler Ebene spürbar und wir müssen und können als Kommune unseren Beitrag leisten, wenn der politische Wille da ist. Auch hier erwarte ich Vorschläge aus dem neu geschaffenen Dezernat, die wir dann gerne diskutieren können.

Als ersten Aufschlag sehe ich hier die Einrichtung eines runden Tischs, der sich mit der zukünftigen Bewirtschaftung unseres Stadtwaldes beschäftigen wird. Auch hier gilt es, viele Interessen unter einen Hut zu bringen und den Stadtwald nicht nur als Holzlieferant zu betrachten, sondern auch als Arbeitsplatz, Naherholungsgebiet, CO2-Speicher und Ökosystem zu begreifen. Die SPD-Fraktion wird sich dort gerne einbringen. Aber dabei kann es nicht bleiben. Unsere Möglichkeiten im Klimaschutz sind deutlich vielfältiger und auch im Umweltschutz kann die Stadt Aßlar noch deutlich aktiver werden.

Ich richte zum Abschluss einen Appell an die Grünen: Kümmert Euch darum, dass die FWG endlich aufwacht, die Realität der prekären Haushaltslage der Stadt Aßlar anerkennt und mit Euch gemeinsam Vorschläge erarbeitet, wie wir zukünftig solide Haushaltspläne auf den Weg bringen können, die zum einen für alle Fraktionen zustimmungsfähig und zum anderen nicht nur unter Corona-Ausnahmebedingungen genehmigungsfähig sind.

Die SPD-Fraktion lehnt diesen Haushalt selbstverständlich erneut ab.

Vielen Dank.

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