Unsere Erwartungen an einen Haushalt der Stadt Aßlar

Unsere Erwartungen an einen Haushalt der Stadt Aßlar

Was ein Jahr… was eine Zeit, in der wir leben. Was ein Ritt… Was ein Ritt auch schon wieder mit diesem Haushalt. Ich muss etwas ausholen. Denn – wir haben hier ja im September einen sehr ehrlichen Haushalt vorgelegt bekommen, dessen herausragendes Merkmal, die Ehrlichkeit war, mit dem er aufgestellt wurde, der ein ehrliches Defizit von 3,6 Mio EUR enthielt. Ich finde es ja nach wie vor erschreckend, wie hart diese Ehrlichkeit abgefeiert wurde – so als sei es, etwas Besonderes, einen ehrlichen Haushalt vorzulegen. Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Haushalte – auch die der Stadt Aßlar – ehrlich aufgestellt werden.

Ich war bei dieser Haushaltseinbringung … überrascht … wobei.. nein, ich war wütend… Denn ganz ehrlich: 3,6 Mio EUR Defizit und das bei der Erhöhung der Grundsteuer B auf 550 Punkte. Es hieß mal, wir müssten auf 490 Punkte, um die Ausfälle für die Straßenausbaubeiträge abzufangen. Fair enough, darüber kann man reden. Aber: jetzt 550 Punkte? Und 3,6 Mio EUR Dezifit? Da fragt man sich schon: wo soll die Reise hingehen? Wo ist die Perspektive? Wie sieht die Zukunft aus? Und warum bringen die Kommunen um uns herum – auch von Corona getroffen – nur leicht defizitäre, zum Teil ausgeglichene Haushalte ein? Aber schieben wir das zur Seite. Whataboutismus ist kein gutes Argument.

Was steht also drin im Haushalt: All das, was uns als Stadtgemeinschaft ausmacht. Das, was uns wichtig ist: ausreichend Kita-Plätze, gute Kinderbetreuung – und zwar mit möglichst geringen Gebühren, ein Schwimmbad, die Sozialstation, die die Menschen in ihrem häuslichen Umfeld unterstützt, die eben auf diese Unterstützung angewiesen sind, gute und zugewandte Jugendarbeit, Unterstützung für unsere Vereine, die das Leben in der Stadt vielfältig machen, die jungen Menschen den Raum geben, sich auszuprobieren oder älteren Menschen beim fit bleiben unterstützen und schlichtweg für den Kitt in der Gesellschaft sorgen. Alles wichtig!

Und zwar nicht nur fürs Jahr 2021, sondern auch lange darüber hinaus. Und hier kommen wir an einen empfindlichen Knackpunkt. Wie stellen wir heute die Stadt für die kommenden Jahre auf? Wie stellt ein Bürgermeister seine Stadt für die kommenden Jahre auf? Welche Erhöhungen werden wir wie in den nächsten Jahren auf den Weg bringen müssen? Und wie kann man denn bitte für 250.000 EUR eine Stollensauna in der Laguna bauen wollen, wenn die Stadt überhaupt kein Geld hat… ja,  ja die rechnet sich, aber doch erst in Jahren und ist es dann verantwortungsvoll so etwas vorzuschlagen??? Mitten in einer Pandemie, wenn kein Mensch weiß, wann wieder fröhlich gebadet werden kann?? Und bei einem Haushalt der Stadt mit 3,6 Mio Fehlbetrag?

Ehrlich gesagt: ich finde, wir finden: nein.

Und ja, es war eine harte Zeit, mit vielen besonderen Herausforderungen. Wir haben uns im Ältestenrat öfter getroffen, um gemeinsam abzuwägen, ob es ein guter Zeitpunkt für eine Stadtverordnetenversammlung ist und gemeinschaftlich entschieden zu schieben – mehr als einmal. Dann standen die Termine. Ich weiß, es ist viel zu tun – mehr und anderes als gewohnt, aber ich finde es trotzdem schade, dass bei dem ganzen Hin und Her um die Zahlen, z.B. für die Laguna, die Zahlen erfragt werden mussten. Wir wollen alle unsere Aufgabe als Stadtverordnete ernst nehmen. Man hat das Gefühl, dass Zustimmung der einen oder vielleicht Ablehnung der anderen als selbstverständlich angenommen wird. Das wird der Verantwortung nicht gerecht, die wir alle übernommen haben und gerne übernehmen wollten und gerne übernehmen.

Also, bei den Zahlen für den Wirtschaftsplan Laguna musste man dann im Ausschuss nachfragen, wie die aktuellen Zahlen sind, denn in der Vorlage ist man noch davon ausgegangen, dass im 2. Halbjahr 2020 und auch im Jahre 2021 der Betrieb normal laufen kann – also mit Öffnungen, sogar in der Art was wir einmal Regelbetrieb genannt haben… Das wissen wir heute besser und dank eines Berichts im Ausschuss auf Nachfrage wissen wir auch, dass auch die Laguna durch Bundeshilfen bezuschusst wird und auch das verlängerte Kurzarbeitsgeld hilft, dass das Loch nichts so groß ist, wie man zunächst befürchten mag. Eine Anpassung der Vorlage wäre hilfreich gewesen. Die SPD-Fraktion steht nach wie vor zur Laguna. Keine Frage.. wir brauchen ein Schwimmbad und wir sehen, dass mit Sauna und Thermalbad wichtige Zuschüsse für das große Schwimmbecken generiert werden können. Alles was sein muss, soll gemacht werden – für uns auch keine Frage. Eine Stollensauna ist sicher fancy, aber ob wir eine solche mit Blick auf die Finanzmittel jetzt brauchen, verneinen wir. Auch wenn Geld jetzt gerade billig zu kriegen ist. Wir haben die Vorlage zu dieser Investition zusammen mit dem um 3,6-Millionen defizitären Haushalten vorgelegt bekommen. Da schnappen wir ehrlicherweise nach Luft. Da fragen wir uns schon: wo soll die Reise hingehen? Wer soll das bezahlen? Und im Ausschuss hören wir dann, dass es im Regelbetrieb so 2 Jahre brauchen wird, bis es sich rechnet. Und wir wissen heute noch nicht, wann wir den wieder aufnehmen können. Bis dahin reden wir über 250.000 EUR, die wir nicht haben, die teils eines Haushalts sind, in dem 3,6 Mio EUR gefehlt haben. Und das nennt nun so manch Einer „verantwortungsvolle Finanzpolitik“. Wow. Wir nicht. Wir können daher dem Wirtschaftsplan Laguna nur mit dem auf die Stollensauna gesetzten Sperrvermerk zustimmen.

Und nun hangeln wir uns weiter durch: viele andere Zahlen wurden angepasst. Vieles konnte eingespart werden, denn nun sind es ja nur 1,6 Mio Eur, die fehlen… Eingespart.. hm.. ein Blick auf die Veränderungen zum Haushalt zeigt, wo das Geld herkommt: da haben die, die einige in diesem Hause in öffentlichen Mitteilungen, ideologisch verblendet nennen, die, die so weit weg sind, die, auf die man gerne schimpft, da haben die in Berlin, auch die in Wiesbaden, Ausgleichszahlungen vorgesehen, damit das Leben in den Kommunen weiter gehen kann. Das sind die großen Batzen, die dieses Defizit im Haushalt haben deutlich schrumpfen lassen. Das nenne ich nicht ideologisch verblendet, sondern vernünftig und verantwortungsvoll.

Und dann wäre alles gar kein Problem mehr – wenn die Stadt doch nur Rücklagen hätte. Auf meine Frage nach den Rücklagen habe ich keine Antwort erhalten. Dann sind wohl keine mehr da.. logisch, sonst würde man diese Rücklagen ja nutzen, um durch die Zeit zu kommen.

Kitaplätze, Vereinsförderung, Sozialstation, Kontakt, so vieles mehr.. alles wichtig.. wie wollen wir all das nach 2021, wenn der RP nicht mehr angehalten ist, defizitäre Haushalte einfach durchzuwinken, wie wollen wir das über 2021 hinaus sichern? Das ist die Frage, die offen bleibt.

Beim Blick ins Haushaltssicherungskonzept – für die, die es nicht wissen, das ist das, wo wir hineinschreiben, wie wir den Haushalt zukunftsfest machen, da stehen Dinge, die am Ende auch zur Umsetzung kommen müssen, wenn wir nicht länger ausgleichen können. Das ist nicht nur geduldiges Papier… Wenn ich also dort nach lese,wird mir dann etwas schummerig… Weil – und das wurde in vielen Sitzungen, zuletzt auch im HFO gesagt – die Erhöhung der Grundsteuer B auf 550 wohl nicht ausreichen wird, um die Stadt und alle Leistungen langfristig zu finanzieren. Also, was dann? Jetzt den Vereinen Vereinsförderung versprechen und sie nächstes Jahr kürzen? Überprüfung der freiwilligen Angebote im Bereich Kultur? Plötzlich keine Matinee mehr? Anpassung der Betreuungsgebühren für die Kitas? Nicht mit uns. Und dann der Satz: „dass die derzeitige Schieflage, in welche die Kommune geraten ist, durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde“. Verstärkt… nicht hervorgerufen, nicht ausgelöst, sondern verstärkt. Aber wegen Corona haben wir auch Ausgleichszahlungen erhalten. Die kriegen wir eben wegen der Pandemie – und nicht einfach so und wohl nicht über die Pandemie hinaus. Also: wie werden wir dastehen? Was ist die Perspektive? Wo ist die Zukunft?

Dazu das Haushaltssicherungskonzept: „Wünschenswerte freiwillige Leistungen wie die Vereinsförderung,… Sportstätten… wurden ohne Blick auf den Kostendeckungsgrad hin beibehalten bzw. ausgebaut. Es gilt nun zu entscheiden, inwieweit defizitäre öffentliche Einrichtungen weiterhin vorzuhalten sind.“. Wer erklärt das dann den Vereinen im nächsten oder im übernächsten Jahr? Wir nicht.. deswegen sagen wir jetzt „Stop!“.

Lieber Bürgermeister, wir erwarten Perspektive – und zwar weit über einen Wahltermin hinaus. Wir erwarten einen Weg aus der Krise. Und wir erwarten einen zukunftsfesten Haushalt. Sollte kein Problem sein, denn man liest der Tage doch überall, wie solide die FWG Finanzpolitik gestaltet. Man liest von Rücklagen – aber eben leider nicht im vorliegenden Haushalt. Dabei wäre es gerade in diesem Haushalt so wünschenswert. Es gibt keine mehr. Ich weiß, wir erwarten viel – trotz der Krise. Aber wir alle haben hier eine Verantwortung. Wir können nicht lächeln und durchwinken. Wir haben es uns als SPD-Fraktion nie leicht gemacht. Wir haben immer nach vorne gestellt, wie wichtig uns die viele Einzelstücke des Haushalts sind. Wir wollen sie sichern. Aber wir sind nicht überzeugt, dass die Stadt Aßlar gerade auf dem richtigen Weg ist. Aus dem Nähkästchen: Es gab immer ein paar, die gute Gründe für eine Ablehnung des Haushalts vorgebracht haben. In der Vergangenheit gab es auch immer einige, die gute Gründe vorgebracht haben, warum es sinnvoll ist, dem Haushalt zuzustimmen. Letztere gab es in diesem Jahr einfach nicht. Und dabei haben wir uns – in allgewohnter Manier – zunächst Gedanken gemacht, wie wir den Haushalt zusammenstreichen können.

An diesem Montag im September war ich entsetzt… und wütend… und noch schlimmer: ich habe das Vertrauen verloren, dass da jemand sitzt und weiß, was er macht. Nochmal die Ausgangslage: 3,6 Mio EUR Defizit trotz einer Erhöhung der Grundsteuer B auf 550 Punkte.. und gleichzeitig: die neue Stollensauna für die Laguna. Wenn wir doch jetzt offensichtlich mit dem Rücken komplett an der Wand stehen. Aber Sparpotentiale wurden nicht besprochen.. Das ist dann Transparenz, oder wie?

Sparpotentiale: Solche Vorschläge sollten gar nicht aus den Fraktionen kommen. Wir sollten Änderungsanträge einbringen und Forderungen stellen. Wir sollten die Möglichkeit haben, mehr zu wollen und  nicht hier stehen und kürzen müssen.. An Deinen Vorschlägen, wie der Haushalt ausgeglichen werden kann, müssen wir uns abarbeiten. Alle gemeinsam und öffentlich – damit wir am Ende einen wirklich guten Kompromiss erreicht haben, der auch für alle nachvollziehbar ist. Damit nicht nur 1 gewinnt und alle anderen unzufrieden sind. Ein Kompromiss heißt, dass alle möglichst gleich zufrieden sind. So ein Kompromiss wird niemandem geschenkt. Der vorliegende Haushalt ist kein Kompromiss. Er ist eine Wiederholung, nur ohne die Möglichkeit auf Rücklagen zurückzugreifen.

Und wie bei der Einbringung bin ich auch heute wütend. Ich hätte gerne einen Haushalt 2021 so verabschiedet, dass die Verwaltung nicht in die vorläufige Haushaltsführung muss. Und ich wehre mich dagegen, die Schuld dafür auf dieses Haus abzuwälzen. Es reicht nicht, frühzeitig Zahlen einzubringen. Der Haushalt muss zustimmungsfähig sein. Ist er es nicht, liegt es nicht an den Fraktionen – es liegt am Haushalt. Und die SPD-Fraktion kann dem vorliegenden Haushalt nicht zustimmen. Das ist kein böser Wille – wir haben, wie alle anderen Parteien, immer die Sachpolitik nach vorne gestellt. Wir handeln nach besten Wissen und Gewissen.

Dieses Haus braucht einen Neustart. Die Art und Weise der Diskussion auch. Ich hoffe, wir haben nach dem 14.03. die Möglichkeit dazu.

Veröffentlicht am