Redebeitrag zum Haushalt der Stadt Aßlar für das Jahr 2025
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
und wieder ein Jahr vorbei, wieder haben wir Haushaltsberatungen. Obwohl sie in diesem Jahr etwas arg gedrängt waren. Zwischen Einbringung und Beschluss nur vier Wochen zu veranschlagen, war überambitioniert und die Planungen für die Sitzungen des kommenden Jahres zeigen, dass uns das nicht wieder passieren wird. Glücklicherweise kam mir zumindest der Haushalt bei der Lektüre wieder seltsam vertraut vor. Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet, im diesjährigen Vorbericht teilweise zur Abwechslung sogar vorsichtshalber unerwähnt. Die Entwicklung der Baugebiete Berghausen, Werdorf Süd-Ost und Aßlar-West zieht sich wie man inzwischen gewöhnt ist, weiter über die nächsten Jahre und wir stehen wieder vor der Frage: Welche Perspektive sieht der Bürgermeister für die Stadt Aßlar, es ist ja schließlich auch Wahl?
Beginnen wir mit den gar nicht mehr gestellten Fragen, die sich aber nicht einfach erledigt haben und die wir zumindest in jedem Jahr erneut stellen. Stichwort Senioren und Betreuung von Pflegebedürftigen. Die Stadt Aßlar hat in ihrem vorhandenen Pflegeangebot zwei erhebliche Lücken: Zum einen fehlen Plätze in Einrichtungen, die Tagespflege anbieten und zum anderen fehlt eine Einrichtung, die eine geschützte Einheit für Menschen mit Demenz anbietet. Damit sind wir bei unserem ersten Antrag:
Der Magistrat wird beauftragt, aus dem Budget der Produktgruppe Sonstige soziale Hilfen und Leistungen Mittel zur Verfügung zu stellen, um zu den Themen Förderung von Tagespflegeeinrichtungen und Schaffung von geschützten Einheiten für Demenzerkrankte externe Beratung für die städtischen Gremien zu erhalten.
Beide Leistungen können aus unserer Sicht gut durch Dritte erbracht werden. Für uns stellt sich allerdings die Frage, welche Rahmenbedingungen wir schaffen können oder müssen, um Dritte für diese Aufgaben zu gewinnen. Hierzu sollen externe Berater hinzugezogen werden, die den Magistrat, den Ausschuss für Soziales und Partnerschaften und den Seniorenbeirat bei der Lösungsfindung unterstützen.
Aus einem ähnlichen Gedanken kommt auch unser zweiter Antrag, der sich damit beschäftigt, wie Verwaltung auf die demographische Entwicklung reagieren kann. Das Risiko für eine Demenz steigt mit zunehmendem Lebensalter. Da auch in Aßlar das Durchschnittsalter der Bevölkerung immer weiter steigt, erhöht sich also auch die Wahrscheinlichkeit für Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, Menschen zu begegnen, die mit einer Demenz leben. Unser Antrag lautet also:
Der Magistrat wird beauftragt, aus dem Budget der Kostenstelle Personalentwicklung Mittel zur Verfügung zu stellen, um Fortbildungsangebote für Mitarbeiter*innen im Umgang mit Menschen, die von Demenz betroffen sind, zu schaffen.
Da eine Demenz nicht immer leicht zu erkennen ist und der Umgang mit Menschen mit Demenz besondere Herausforderungen bietet, die von der richtigen Ansprache über den Umgang mit veränderten Verhaltensweisen bis hin zu rechtlichen Fragestellungen gehen,
ist es aus unserer Sicht notwendig, Mitarbeiter*innen der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, sich in diesem Feld fortzubilden.
Wir bitten um Zustimmung zu diesen beiden Anträgen. Denjenigen, die im HFA anwesend waren, dürften sie zwar bekannt vorkommen, wir haben sie aber dem Hinweis des Bürgermeisters entsprechend noch einmal überarbeitet. Der Hinweis, dass solche kleinen Beträge aus den Budgets der einzelnen Kostenstellen gedeckt werden können, ist einerseits mit Blick auf den Aufwand für die Verwaltung sicherlich hilfreich, allerdings auch als Argument mit äußerster Vorsicht zu genießen. Wenn man zu große Rücksicht auf die mögliche Belastung der Verwaltung durch Änderungsanträge zum Haushalt nimmt, läuft man nämlich Gefahr, auf der anderen Seite den gewählten Vertreterinnen die Einflussnahme auf den Haushaltsplan zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Auch die Tatsache, dass ähnliche Anträge in den Vorjahren ohne diesen Hinweis auskamen, lässt zumindest Raum für Diskussionen, die wir an geeigneter Stelle im Ältestenrat führen werden.
Kommen wir zu unserem dritten Antrag, mit dem wir einen Gedenkort für Sternenkinder auf einem der Friedhöfe schaffen wollen. Der Begriff „Sternenkinder“ bezeichnet alle Kinder, die vor, während oder bald nach der Geburt sterben. Für Eltern ist es eine große Belastung, ein Kind zu verlieren, auch während der Schwangerschaft, weil sich selbstverständlich bereits dann eine Beziehung aufbaut. Fehlgeburten sind mit einem gesellschaftlichen Stigma versehen, über das Thema wird weiterhin zu oft geschwiegen. Da beim Versterben des Kindes vor der 25. Schwangerschaftswoche keine Bestattungspflicht besteht, wird nicht jedes Sternenkind in einem eigenen Grab bestattet. Wir wollen einen Ort schaffen, an den trauernde Eltern kommen können, um dieser Sternenkinder zu gedenken. Da wir in dieser Sache schon im HFA herausgehört haben, dass dieser Antrag inhaltlich viel Diskussionsanlass bietet, haben wir uns entschlossen, diesen vor einer endgültigen Beschlussfassung in den Ausschuss für Soziales und Partnerschaften zu verweisen, um ihn dort besprechen zu können und dann über die genaue Umsetzung zu entscheiden.
Kommen wir zum Bereich der Steuern. Zur Grundsteuer B und der Beinahe-Aufkommensneutralität habe ich ja eben schon etwas gesagt. Was uns dann aber doch sehr verwundert hat, ist, dass die Stadt Aßlar es nicht einmal in Betracht zu ziehen scheint, im Bereich der Steuern gleich zwei Probleme auf einmal zu adressieren. Mit der Grundsteuer C hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, dass Baulücken aktivieren kann und wenn dies nicht gelingt, wenigstens Geld in die Kasse spült. Die Einführung der Grundsteuer C wird überall diskutiert, nur in Aßlar traut man sich mal wieder nicht, etwas Neues auch als Erste umzusetzen. Angesichts von geschätzt mehr als 200 Baulücken im Stadtgebiet und eines defizitären Haushalts könnten wir dieses neue Werkzeug sehr gut gebrauchen. Wir möchten an dieser Stelle niemanden überfordern und wir fänden es auch äußerst unfair gegenüber Eigentümern, eine sofortige Einführung einer Grundsteuer C zum ersten Januar zu fordern, aber für die kommende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung kündige ich schon einmal einen Antrag der SPD-Fraktion auf Prüfung einer Grundsteuer C an, die dann in Zukunft auf Grundstücke erhoben werden könnte, die derzeit brach liegen, aber unproblematisch als Bauland genutzt werden können.
Auch die Gewerbesteuer bleibt ein ewiges Sorgenkind für uns. Der größte Gewerbesteuerzahler der Stadt Aßlar Pfeiffer Vacuum hat sein Jahresergebnis 2024 von 956 Millionen auf 870 Millionen Euro gesenkt, der Ertrag vor Steuern soll um 20 Millionen Euro sinken. Diese Entwicklungen sind trotz großer Investitionen in den Standort Aßlar und einer stabilen Mitarbeitersituation alarmierend. Eine nachträgliche Senkung der Ertragserwartungen im laufenden Geschäftsjahr in dieser Größenordnung kann sich für die Stadt Aßlar in einer Gewerbesteuerrückzahlung auswirken, deren Höhe wir noch nicht abschätzen können. Eine Verschlechterung der Ertragslage im kommenden Jahr kann bei den weitgehend gleichbleibenden Ansätzen dann zusätzlich zu einem geringeren Steuerertrag führen, sodass der Haushalt im Ganzen vollkommen aus der Bahn geworfen wird. Ich hoffe zwar darauf, dass es nicht dazu kommt, aber da selbst die sonst immer auf das Prinzip Hoffnung setzenden Ersteller des Haushaltsentwurfs 2,5 Millionen Euro an Ermächtigungen für Liquiditätskredite für das Risiko aus Steuerrückzahlungsansprüchen eingeplant haben, sollten wir vielleicht damit rechnen, dass wir uns hier eher früher als später über einen Nachtragshaushalt unterhalten werden.
Wenn wir uns dann noch die Verbindlichkeiten der Stadt in den kommenden Jahren und die Zinsentwicklungen ansehen, sehen wir ebenfalls ein Risiko, dass allerdings im Haushalt nicht ausreichend abgebildet wird. Den Schuldenstand der Stadt Aßlar erhöhen wir im kommenden Jahr alleine im Kernhaushalt um 9,5 Millionen Euro, wovon zwei Drittel auf den ersten Teil des Feuerwehrhauses Aßlar entfallen. Dies ist isoliert betrachtet auch nicht weiter tragisch. Allerdings halten wir es für nicht nachvollziehbar, davon auszugehen, dass diese Erhöhung der Schuldenlast nicht dazu führen soll, dass wir in Zukunft auch mehr Zinsen für Kredite zu zahlen haben werden. Und die Investitionen, die wir nur über Kredite werden finanzieren können, werden nicht einfach aufhören. Wir müssen uns entweder stärker auf Zuschüsse von Land und Bund verlassen oder auf einige zwar wünschenswerte aber nicht zwingend notwendige Investitionen in den kommenden Jahren verzichten müssen.
Ein weiterer großer Punkt, der im Zahlungsmittelfluss des kommenden Jahres Unwägbarkeiten mit sich bringt, ist die Entwicklung der Baugebiete in Berghausen und Werdorf. Während in Berghausen wenigstens der Bau der neuen Osttangente abgeschlossen ist und nur 8 Jahre nach Aufstellungsbeschluss mit der Bebauung vielleicht sogar gerechnet werden kann, sind wir bei Werdorf zum einen unsicher, ob wir im kommenden Jahr zum Ver-kauf der ersten Grundstücke kommen und wie viele dieser Grundstücke wir am Ende überhaupt verkaufen können. Denn das sich Normalsterbliche das Bauen auf diesen Grundstücken in der momentanen Marktsituation nicht mehr leisten können, ist auch klar.
Zum Bereich der Investitionen haben wir uns die folgende Frage gestellt: Muss hier eigentlich jede Veränderung des Status quo erst durch äußeren Zwang geschehen?
Das wohl offensichtlichste Beispiel ist hier das Feuerwehrhaus Aßlar. Gegen das Verfahren, in welchem es jetzt umgesetzt wird, kann man ja nichts einwenden. Der Projektierer hat beeindruckende Referenzen und die Ausstattung des Gebäudes wird einer Rolle als zentralem Standort für die Feuerwehr Aßlar durchaus gerecht. Für die umfassende Normierung und die damit einhergehenden Kosten im Bereich des Feuerwehrwesens können wir alle nichts und auf die Verbesserungswünsche der Feuerwehrangehörigen konnten wir eingehen, also ist auch der Gesamtbetrag von rund 8,5 Millionen Euro nicht zu beanstanden.
Wenn ich mir anschaue, wo wir vor einem Jahr in der Sache standen, nämlich nicht mal mit einem Haushaltsansatz für ein Feuerwehrhaus, das 2027 bezogen sein muss, wurde ich doch positiv überrascht. Wobei schon der Zwang, durch die Kündigung des Mietvertrages innerhalb von 4 Jahren ein Feuerwehrhaus zu planen und zu errichten, zeigt, wie kurzsichtig hier agiert wird und wie sehr eine große Strategie für die Stadt Aßlar fehlt. Dass wir dann auch keine eigenen Vorschläge für einen Standort anbieten konnten, zeigt auch die Sackgasse, in der wir städteplanerisch stecken. Dass wir nun trotz dieser Situation immerhin ein Angebot eines erfahrenen Projektierers erhalten haben und dass dieser auch gleich ein Grundstück mitbringt, dass wenigstens leidlich für den Bau eines Feuerwehrhauses geeignet ist, ist ein Glücksfall, aber nicht einer größeren Strategie zu verdanken.
Ein weiteres Beispiel für die Kurzsichtigkeit, mit der hier Politik gemacht wird, ist der Umgang mit dem Wegfall der Behelfsabfahrt zum Abfallwirtschaftszentrum. Wir haben das Gefühl, dass mit der Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung jetzt erst einmal Ruhe bei dem Thema einkehren soll. Der Abschluss der Zusatzvereinbarung birgt aber für uns zwei Erkenntnisse, deren Zusammenfallen ein Problem für die Stadt Aßlar darstellt: Erstens ist die Zuwegung zum Abfallwirtschaftszentrum nur über die Bechlinger Straße möglich und zweitens soll HessenMobil dazu aufgefordert werden, die dringend sanierungsbedürftige Bechlinger Straße priorisiert grundhaft zu erneuern. Für die Zeit der grundhaften Sanierung, bei der auch die Stadtwerke die Rohrleitungen erneuern wollen, ist davon auszugehen, dass die Bechlinger Straße nicht befahrbar sein wird. Entsprechend stellt sich die Frage, wie für die Dauer der Baustelle die Zuwegung zum Abfallwirtschaftszentrum sichergestellt wird. Da wir nun alle die Erfahrungen mit HessenMobil teilen, erscheint es für uns nicht sicher, dass dort eine ausreichend frühe Beteiligung stattfindet, um beispielsweise Wirtschaftswege so herzurichten, dass Lkw sie befahren könnten. Unser Ansinnen war es, dass der Magistrat sich einmal Gedanken über Alternativrouten zum Abfallwirtschaftszentrum macht und diese dann auch in Erwartung der Sanierung der Bechlinger Straße so herstellt, dass sie mit Lkw zumindest vorübergehend befahrbar sind.
Für uns wurde nun im HFA klar, dass der Bürgermeister sich auf die äußerst bequeme Position zurückzieht, dass er für die Planung dieser Baustelle nicht zuständig sei, weil schließlich HessenMobil Baulastträger sei. Dass dies im Ausschuss auf große Zustimmung gestoßen ist, ärgert uns doch sehr. Zum einen muss ich ihr Argument etwas ankratzen, denn durch die Planung der Stadtwerke, die Rohrleitungen in der Bechlinger Straße bei der Gelegenheit gleich mit zu erneuern, ist es eben keine reine Baumaßnahme von HessenMobil mehr und allein deswegen würde ich hier schleunigst Gespräche mit HessenMobil beginnen. Es wäre für Aßlar äußerst wichtig und würde auch uns allen das Leben deutlich einfacher machen, wenn wir für den Fall, dass die Sanierung der Bechlinger Straße früher als später beginnt, einen Plan in der Schublade hätten, falls HessenMobil bei der Umleitungsplanung wieder genauso kreativ ist wie zuletzt in Werdorf. Es wird Zeit für eine Strategie! Da wir aber nicht sehen, dass ein entsprechender Antrag von uns hier erfolgreich sein kann, ziehen wir diesen zurück.
Lassen Sie mich aber auch kurz erwähnen, dass genauso wie wir von Ihnen verlangen, Gespräche zu führen und sich um den Umgang mit der neuen Situation des Abfallwirtschaftszentrums zu kümmern, wir auch Gespräche mit unserem Vertreter*innen in Land und Bund führen. Denn die aktuelle Lage ist für Aßlar nicht hinnehmbar und wir werden sie nicht akzeptieren.
Einen weiteren Punkt, den man am Sachverhalt des Abfallwirtschaftszentrums sehr gut nachzeichnen kann, ist die miserable Kommunikation des Bürgermeisters mit manchen Gremien. Ich habe in der letzten Sitzung bereits angesprochen, dass ich nicht verstehe, wie der Ortsbeirat Bechlingen nicht über den aktuellen Planungsstand einer Verkehrsführung informiert sein kann, die den Ort ganz unmittelbar betrifft und noch schöner, das Problem quasi auflöst. Ähnliches beobachte ich für den Ortsbeirat Oberlemp in Bezug auf den Spielplatz zwischen Funkmast und Feuerwehrhaus. Hier sind die Arbeiten am Mast selbst zwar abgeschlossen, wann die Antennen drankommen, weiß aber kein Mensch und die Herstellung des Bolzplatzes in den mit Ortsbeirat und Oberlemper Eltern besprochenen Zustand ist auch immer noch nicht abgeschlossen. Und das nächste Vorhaben mit Konfliktpotenzial steht bevor, der Anbau an das Feuerwehrhaus Oberlemp und der damit verbundene Wegfall der anderen Hälfte des Spielplatzes. Hier könnte man mal etwas Weitblick zeigen und frühzeitig den Ortsbeirat einbinden und so auch gleich die berechtigten Fragen der Bevölkerung beantworten und die brodelnde Gerüchteküche abwürgen. Gemeinsam könnte man sich dann auf die Suche nach einem Standort für einen neuen Spielplatz machen, der Ortsbeirat hat im April bereits Vorschläge hierzu gemacht.
Herr Bürgermeister, wie ich gerade herausgearbeitet habe, sehen wir nicht, dass Sie einen Plan haben, wohin Sie mit der Stadt Aßlar steuern wollen. Oder falls Sie einen Plan haben, haben Sie ihn zumindest bisher nicht mit der Welt geteilt. Die Bürgermeisterwahl steht im Februar an, so langsam wäre es an der Zeit.
Für die SPD-Fraktion ist klar, dass wir diesem Haushalt im Ganzen nicht zustimmen können. Zu wenige positive Impulse werden darin gesetzt, zu viele alte Fehler werden wiederholt, zu viele Risiken ignoriert. Durch unsere Anträge hoffen wir, einige wichtige Diskussionen anstoßen zu können, aber ohne eine größere Strategie, wohin die Stadt sich entwickeln soll, ist das leider nur Symptombekämpfung.
Vielen Dank!
Kevin Ferber,
SPD-Fraktion